Roger Schäfer,

geboren 1954 im Münsterland, besuchte nach Abitur und Bundeswehr eine Fotoschule in Stuttgart. Nach mehrjährigen Tätigkeiten in verschiedenen Werbefirmen in Stuttgart, Frankfurt und Heidelberg machte er sich 1989 mit seiner Ehefrau Birgit in Weinheim mit einem Betrieb für Fotowerbung selbstständig, seit 2003 ist er Geschäftsführer der Schäfer Werbeagentur GmbH.

Seine Passion ist die Schwarz-Weiß-Fotografie, die er 2014 wieder aufgenommen und intensiviert hat. Seine SW-Bilder wurden vielfach in der Presse veröffentlicht. Ca. 200 Bilder sind für die LFI-Galerie (Leica Fotografie International) ausgewählt worden. Es gab mehrere Fotoausstellungen in der Region sowie eine Buchveröffentlichung mit dem Autor Alexander Boguslawski „Weinheim – Rückblicke und Begegnungen“.

Gedanken zu meiner Schwarzweiß-Fotografie

Was kann man überhaupt über die SW-Fotografie sagen, die ja ein Relikt aus dem 19. und 20. Jahrhundert zu sein scheint? Ist sie nicht geradezu ein anachronistisches Medium, in Zeiten, in denen wir überflutet werden mit bunten und schrillen Bildern, geschossen größtenteils mithilfe von Handys. Gedankenlose Selfies übersäen die sozialen Medien. Sind diese nicht der Grund dafür, dass unsere Welt immer unruhiger wird, immer überreizter und immer unfähiger, die wirklich wichtigen Dinge wahrzunehmen?

Ich glaube, die SW-Fotografie setzt hier ganz gezielt den Kontrapunkt.

Auf meiner Website „monochrom.life“ steht mein Leitmotiv … „Die Reduzierung auf das Wesentliche“. Und diese Reduzierung auf das Wesentliche schärft die Sinne. Es geht bei mir einher mit einem Phänomen: Wenn ich mir meine Leica Monochrom umhänge, sehe ich die Welt tatsächlich in SW, ganz real in SW, nicht metaphorisch. Ich tauche ein in eine andere Welt.

Aber wie entsteht sie nun, die SW-Fotografie?

Früher, in der analogen Zeit, legte ich einfach einen SW-Film in die Kamera. Das Endprodukt war immer ein SW-Bild. Mit dem Aufkommen der Digitalfotografie geht das nicht mehr. Das fotografische Produkt ist zunächst immer eine farbige Bilddatei, die man zwar mittels Photoshop in eine SW-Datei umformen kann, … aber mal ehrlich, wer hat früher daran gedacht, aus Colordias SW-Bilder zu erstellen. Das hat niemand gemacht.

Und heute?

2012 brachte Leica eine digitale SW-Kamera auf den Markt. Eine Kamera, die nicht farbig sieht und dementsprechend auch nichts Farbiges produzieren kann. Ohne Farbfilter vor den Pixeln der Sensoren entfallen die Interpolationen des Kamerarechners, da ja ein Pixel immer nur eine der drei Farben gesehen hat. Der Rest muss immer „erraten“ und ergänzt werden, halt interpoliert. Das gibt es bei den SW-Sensor nicht mehr. Es wird alles aufgenommen, jeder Grauwert bekommt seinen Platz.

Und das Ergebnis war so einfach wie verblüffend:

Es entstand ein SW-Bild mit einer Anmutung, die an die SW-Filme erinnerte und einem Detailreichtum, den man allerdings mit SW-KB-Filmen nie erreicht hatte. Man glaubt, man sei in der Großformat-Fotografie angekommen.

Auch ich war erstaunt über die Qualität dieser originären SW-Bilder, zumal ich mich bis dahin immer gesträubt hatte, die analoge Fotografie aufzugeben.

Der Paradigmenwechsel war eingeläutet und in meinem Kopf stand von da an ganz groß und fett „Must have“.

Im Sommer 2014 habe ich mir eine Messsucherkamera, keine Spiegelreflexkamera bestellt. Ich musste lange 6 Monate darauf warten. Mit dieser Kamera wird manuell fotografiert.

Ich stelle mit der Hand das scharf, was ich auch scharf haben möchte. Ich bestimme durch die Blende, welcher Bereich unscharf und auf welche Art und Weise er unscharf werden soll. Ich bestimme mit der Über- und Unterbelichtung die Aussage des Bildes, und mit der ISO-Einstellung gebe ich den Filmcharakter vor.

Ich bestimme, was hinten rauskommt, und nicht der Computer in der Kamera.

Die Nachbearbeitung, die früher in der Dunkelkammer erfolgte, findet jetzt sinnigerweise in „Lightroom“ statt, ein Programm, das eine non-destruktive Bearbeitung der digitalen Negative ermöglicht, denn ich fotografiere grundsätzlich im RAW-Format. Das heißt, die Dateien bestehen zunächst aus Photonenwerten, die im Programm „Lightroom“ zu Bildern gebaut werden, um diese dann auch bearbeiten zu können.

Diese Technik muss man verstehen und anwenden können, um sich voll und ganz auf die kreativen Aspekte der Fotografie konzentrieren zu können.

Ich habe eine Vorstellung meines Bildes, so wie es mal aussehen soll, und intuitiv arbeite ich so mit meiner Kamera.

Die Philosophie wäre ohne die Mathematik und ohne die Physik nicht denkbar, und so verhält es sich auch mit der Fotografie. Aber was haben Mathematik und Physik mit Fotografie zu tun?

Unsere Umwelt nehmen wir als dreidimensionalen Raum wahr, aber die Fotografie muss daraus eine zweidimensionale Bildfläche machen. Und das ist ein mathematisch hoch komplexes Unterfangen. Das wissen auch viele berühmte Künstler aus vergangenen Jahrhunderten. Der Blick durch den Sucher setzt ein mathematisches Prozedere in Gang, um dem späteren Betrachter des zweidimensionalen Bildes die Dreidimensionalität des fotografierten Geschehens echt erscheinen zu lassen.

Hört sich kompliziert an, ist es auch.

Also das erste Kriterium erfüllt: Wir brauchen in der Fotografie die Mathematik.

Und die Physik?

Optische Gesetze sorgen dafür, dass nicht immer alles optimal bei der Abbildung der Realität abläuft. Brennweite, Verschlusszeiten, Blende, Fokussierung müssen sorgsam aufeinander abgestimmt sein, um zu einem guten Ergebnis zu gelangen. Wenn Sie davon ausgehen, dass meine Monochrom 10 Brennweiten hat (sprich Objektive), jedes Objektiv 10 Blendeneinstellungen und die Kamera nochmals 20 Zeiteinstellungen und 15 ISO-Einstellungen, dann gibt es Millionen Einstellmöglichkeiten.

Und jetzt kommt noch die Philosophie ins Spiel. So wie in der Philosophie der Standpunkt des Philosophen wichtig ist, so wichtig ist auch der Standpunkt des Fotografen. Manchmal sind es nur Zentimeter, die eine Bildaussage gelingen oder nicht gelingen lassen.

Die Fotografie ist schon ein Abenteuer. Manchmal weiß man auch nicht, wie es ausgeht.

Wichtig für mich ist, dass ich mir ein bestimmtes Thema vorgebe, z. B. Kloster Lorsch, neue Synagoge in Mainz, das Bankenviertel in Frankfurt, der Schlosspark in Schwetzingen, der Hauptbahnhof in Ludwigshafen, … etc. Und da ist sie wieder, die Reduzierung oder auch Konzentration auf das Wesentliche.

Ich muss eintauchen in das Thema, und zwar so intensiv, dass ich manches um mich herum nicht mehr wahrnehme. So bin ich schon in Gräben und Kuhlen gefallen, habe mir Verätzungen in Brennnesselstauden zugezogen, und auch hin und wieder Autos zum Bremsen gebracht. Die Arbeit in „Lightroom“ ist dann natürlich erheblich entspannter und ungefährlicher.

Aber ein Bild ist erst dann ein Bild, wenn es gedruckt ist. Selbst der beste Bildschirm kann nicht das Gefühl ersetzen, ein gelungenes Bild in Händen zu halten. Es ist ein haptisches und visuelles Erlebnis, das ich nur zu gerne genieße. Bevorzugt lasse ich die Bilder in höchster Auflösung mit den 4 Farben Hellgrau, Mittelgrau, Schwarz und Mattschwarz auf Hahnemühlepapier drucken. Mattschwarz ist dabei noch schwärzer als Schwarz. Das Hahnemühlepapier besteht zu 100% aus Baumwolle. Farben und Baumwolle dürften also locker mehrere Generationen überleben, wenn man sie nicht vorher fachgerecht verrotten lässt. Zumindest behaupten das die Hersteller. Die Firma Hahnemühle existiert übrigens schon seit Gutenbergs Zeiten.

 

Leica Master Shot mit dem Voigtländer
75mm f1,5 VM

Entstanden ist das Bild am 20. September 2019 in Ronchamp, Frankreich. Es herrschte zwar strahlender Sonnenschein, aber ein herbstlicher Wind auf dem Hügel sorgte schon für „Haarbewegung“. Wenn man den Hügel zur Kirche Notre-Dame-du-Haut, die vom Architekten Le Corbusier gebaut wurde, hinaufgeht, bekommt man stückweise immer mehr von ihr zu sehen. Dieses Bild zeigt, wie gerade eine Windböe die Haare der Besucherin senkrecht stehen lässt. Geschossen mit dem Nokton 1,5/75mm VM auf der Leica M Monochrom wirkt es wie aus einer verlorenen Zeit. Standpunkt, Objekt, Kameraausrüstung und Wetter haben in diesem Moment gestimmt, um diesen Schnappschuss zum Master Shot werden zu lassen.

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