Voigtländer 40mm f/1.2 Nokton für Sony E-Mount
Das Vorwort
Im Zuge eines Systemwechsels von der Fuji X-Pro 2 auf die Sony a7 III habe ich mir lange Gedanken über einen potentiellen Objektiv-Park gemacht. Wichtig bei der Auswahl war mir eine breite Spannweite an (Fest-) Brennweiten, ohne dass dabei die Kosten aus dem Ruder laufen. Entschieden habe ich mich dann für das Sony 28mm f/2 und das 85mm f/1.8. Zwei einwandfreie Festbrennweiten mit einem sehr guten Preis-Leistungsverhältnis. Als „Standardbrennweite“ habe ich mich für das Voigtländer Nokton 40mm f/1.2 (für Sony E-Mount) entschieden. Als Mittelweg zwischen den Standardbrennweiten 35mm und 50mm, ist das Objektiv in vielen Situationen einsetzbar. Durch diese Brennweite kann man Portraits aufnehmen und dabei Motiv und Kontext gleichermaßen in Szene setzen. Mein Interesse wurde also auf Grund der 40mm Brennweite geweckt, gekauft habe ich es mir dann allerdings wegen des viel gepriesenen Mojos.
Handhabung
Tja, und dann war es hier und… was für ein Teil. Die Verarbeitung und die Haptik sind erstklassig. Das Objektiv ist mit 420 g an der Sony a7 III gut ausbalanciert und wegen der Kompaktheit nicht frontlastig. Das Objektiv besteht ausschließlich aus Metall und Glas und fühlt sich sehr hochwertig an. Der Fokusring läuft butterweich und der Blendenring rastet bei jeder Auswahl satt ein.
Das besondere an dem Objektiv ist, dass Cosina (die Firma hinter dem Namen Voigtländer) es für Sony e-Mount hergestellt hat und es entsprechende Kontakte am Objektiv-Bajonett hat. Das führt nicht nur zu einer Übertragung von Metadaten-Informationen an die Bilddatei, sondern auch dazu, dass die Kamera von alleine erkennt, dass es sich bei dem Objektiv um ein manuelles Objektiv handelt. Sobald man dann am Fokusring dreht, vergrößert sich das Bild im elektronischen Sucher bzw. auf dem hinteren Display, um einem das treffsichere Fokussieren zu erleichtern. Sony hat bei den aktuellen Vollformat-Modellen hinsichtlich der Verwendung und Adaption von manuellen Objektiven einen hervorragenden Job gemacht hat.
Jetzt komm‘ mal auf den Punkt: wie steht es mit der Bildqualität?
Schärfe, Kontrast, Farbwiedergabe
Schärfe ist mir bei derartigen “Charakter-Objektiven” nicht so wichtig. Trotzdem empfinde ich das Nokton bei f/1.2 im Zentrum als ausreichend scharf. Zu den Rändern wird es unscharf, was sich durch abblenden verbessert. Bei f/4 ist die Schärfe gut und der Sweet-Spot ist irgendwo zwischen f/5.6 und f/8 erreicht. Aber jetzt mal ehrlich, ein f/1.2 Nokton auf Blende f/8 zu fotografieren, bleibt wohl eher eine Ausnahme. Der Kontrast ist bei f/1.2 okay und wird ab f/2.8 sehr gut. Hier kann man auch in Lightroom oder Capture One problemlos nachhelfen. Die Farbwiedergabe ist realistisch und ausgewogen, ohne digital zu wirken.
Farbsäume
Bei kontrastreichen Motiven sind chromatische Aberrationen bei f/1.2 sehr deutlich. Hier hilft es etwas abzublenden oder bei der Nachbearbeitung den richtigen Regler zu bedienen. Das ist m.E. die größte Schwäche des Nokton, welche sich aber wortwörtlich im Handumdrehen beheben lässt.
Vignettierung
Was mir sofort aufgefallen ist, dass das Nokton bei Offenblende stark vignettiert. Hier liegt die Betonung auf dem Wörtchen „schön“. Der Lichtabfall zu den Rändern hat etwas unaufdringlich Organisches. Mir gefällt es. Falls ich mal doch saubere Bildränder haben möchte, dann kann ich die Vignette in der Nachbearbeitung schnell korrigieren.
Bokeh
Das Bokeh ist klasse. Zwar sind bei f1.2 Katzenaugen im Randbereich zu sehen, aber das stört mich nicht. Das Bokeh im Zentrum ist durch die 10 Blendenlamellen schön rund und über den ganzen Bildbereich relativ ausgewogen und ruhig.
Fazit
Ich bin weder Grieche, noch bin ich bewandert in Griechischer Philosophie (oder irgendeiner philosophischen Lehre anderer Länder). Trotzdem passt bei dem Objektiv der Satz von Aristoteles “Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“. Das Objektiv vignettiert stark, hat Probleme mit chromatischen Aberrationen, hat darüber hinaus eine gute Bildqualität und ein schönes Bokeh. Diese Beschreibung hört sich erstmal okay, aber nicht überragend an.
Das Voigtländer Nokton 40mm f/1.2 schafft es jedoch die positiven Elemente harmonisch zu verbinden. Die Kombination von Vignette, Bokeh und Farbwiedergabe ergibt einen charaktervollen Bildlook, den ich so vorher bei keinem Objektiv feststellen konnte. Hinzu kommt, dass die Handhabung des Objektivs durch Größe, Gewicht und Einbindung verschiedener Fokus-Helferlein an den aktuellen Sony e-mount Vollformatkameras unschlagbar ist. Die Synthese zwischen Hardware (Objektiv) und Software (Fokushilfen der Sony a7 III) macht das Nokton besonders und deswegen verdient das Objektiv einen festen Platz in meiner Fototasche und zugleich den inoffiziellen Mojo-Award 2018.
Gekauft habe ich das Objektiv für 1.099 € bei Foto Mundus (online). Stimmt das Preis-Leistungsverhältnis? Für mich ein eindeutiges „ja“ und somit auch eine klare Kaufempfehlung.
Von außen
Das Voigtländer 65mm für Sony E-mount hat die gleiche hochwertige Verarbeitung und Haptik, wie alle neueren Voigtländer Objektive. Die Konstruktion besteht aus matt schwarzen Metall sowie jeder Menge Glas. Mit 625 g liegt das Objektiv satt in der Hand. Die Beschriftung z.B. am Blendenring oder an der Fokusskala ist eingraviert und lackiert.
Die Objektivspezifikation:
- Blendeneinstellung: 1/3-Blenden
- Optischer Aufbau: 10 Linsen in 8 Gruppen
- Blendenlamellen: 10 Stück
- Mindestentfernung: 0,31 m
- Abbildungsmaßstab: 1:2
- Fokus Umdrehungen von nah bis fern: ⅔ Umdrehung
Wie bei allen Voigtländer Objektiven für Sony E-mount besitzt auch das 65mm APO Lanthar elektrische Kontakte, um mit dem Sony-Body zu kommunizieren. Man dreht nur am Fokusring und schon öffnet sich im optischen Sucher die Fokuslupe, sprich eine vergrößerte Ansicht des anvisierten Fokuspunktes, inkl. Fokus-Peaking. Das klappt unglaublich gut und macht so viel Spaß, dass ich auch problemlos ohne Autofokus klar komme. Es braucht halt etwas mehr Zeit, bis man ein Foto gemacht hat, man wird aber mit überragender Bildqualität belohnt. Und ein bisschen Langsamkeit schadet niemandem.
Ich finde etwas schade, dass sich das Objektiv beim fokussieren im Nahbereich stark verlängert (Foto siehe oben mit Gegenlichtblende), dafür kann man den Fokus sehr präzise einstellen. Der Fokusring benötigt ca. ⅔ Umdrehung, um von der einen auf die andere Seite der Fokusskala zu gelangen. Der Fokusring lässt sich butterweich bewegen und ist dabei schön groß. Von der Handhabung, insbesondere auf einem Stativ, nahezu perfekt.
Die Bildqualität
Als ich das Objektiv bestellt habe, bin ich davon ausgegangen, es nur für spezielle Anwendungsbereiche zu verwenden, in denen insbesondere die Macro-Qualitäten des 65mm Voigtländers gefragt sind. Derzeit ist es aber eher so, dass es immer öfter meine Sony 85mm Festbrennweite ablöst. Für Portraits, z.B. von meinen Kindern, ist es auch sehr gut geeignet. Die Farben und der Kontrast sind 100% Voigtländer und der Bildlook erinnert mich an das 40mm f/1.2 Voigtländer. Bei letzterem gefällt mir das Bokeh etwas besser, dafür haut mich beim 65mm Voigtländer die Schärfe aus den Socken.
Die Fotos sind schärfer als das Katana eines japanischen Samurai. Selbst bei Offenblende ist es schon sehr scharf, was sich aber bis Blende 8 noch steigert. Dabei sind chromatische Aberrationen so gut wie gar nicht zu sehen. Das “APO” in der Objektivbezeichnung steht für apochromatische Korrektur, wobei nicht nur zwei, sondern drei Farben korrigiert werden sollen. Deswegen gibt es auch die drei bunten Striche am Objektiv.
Fazit
Ich habe das Objektiv schon bei diversen professionellen Fotoshootings verwendet und stets positives Feedback erhalten. Das etwas mehr an Aufwand beim Fotografieren hat sich bei mir bisher immer ausgezahlt. Mir macht das manuelle Fokussieren an den neueren Sony-Bodies Spaß und somit nutze ich auch das 65mm Voigtländer häufig.
Kann ich das Objektiv empfehlen? Ja, das kann ich ohne mit der Wimper zu zucken. Das Voigtländer ist zwar nicht super klein und leicht, aber die Bildresultate sind umwerfend gut. Für 1.000 Euro bekommt man eine Macro- und Portraitlinse, deren Preis m. E. gerechtfertigt ist. Falls Ihr nicht sicher seid, ob es was für Euch ist, dann geht zu dem Ringfoto-Händler Eures Vertrauens und probiert es aus. Ihr werdet es nicht bereuen!
/ Steffen Hampe